Die Motorenprofis

Uwe Rosenau und sein Sohn Florian sind Profis in Sachen Motoreninstandsetzung. So gehört unter anderem der Kolben-Tausch für sie zum Alltagsgeschäft. Im Interview erzählen sie uns, worauf es ankommt und warum auch du dich an den Motor trauen kannst.

MAHLE: Wie kam es, dass Sie sich auf die Motoreninstandsetzung spezialisiert haben?

Uwe Rosenau: Das war quasi ein Wink des Schicksals. Ursprünglich wollte ich zur Deutschen Bahn. Dort war aber zu der Zeit (1976) Einstellungsstopp. Dann habe ich mich bei einer Motoreninstandsetzung in Osnabrück beworben ohne wirklich zu wissen, was man da tut. Ich bin dann dort in die Lehre gegangen und habe dabei vom ersten Tage an meine Leidenschaft für die Motoreninstandsetzung entdeckt - und ich wollte dann auch nie wieder was anderes machen. Es hat mich einfach fasziniert, wie man einen „toten“ Motor wieder „zum Leben erweckt“.

MAHLE: Jetzt ist auch Ihr Sohn mit einer eigenen Werkstatt ins Geschäft eingestiegen. Was bekommen Ihre Kunden bei Ihnen?

Uwe Rosenau: Wir sind Spezialisten in Sachen Motorinstandsetzung und haben darüber hinaus auch noch eine Kfz-Werkstatt nebenan. Dadurch können wir unseren Kunden neben unserer Expertise den Rundum-Service anbieten. Wir reparieren jegliche Fahrzeug-Typen – quasi vom Rasenmäher bis hin zum 1000 PS Motor. Also Land- & Baumaschinen, Spezialfahrzeuge mit Sonderaufbauten (z.B. Straßenkehrmaschinen, Feuerwehr, Betonpumpe, etc.), Off-Highway-Motoren (z.B. Kühlaggregate), sowie Pkw, Lkw und Oldtimer.

MAHLE: Was war ein Highlight bzw. eine besondere Herausforderung unter den Aufträgen, die Sie bereits hatten?

Uwe Rosenau: Es sind zwar immer dieselben Einbauschritte, aber jeder Motor ist anders und damit müssen auch bei der Montage entsprechend andere Anzugswerte und Maße berücksichtigt werden. So hatten wir beispielsweise mal einen Caterpillar-Motor Typ 3412 zur Instandsetzung. Der Motor wurde teilzerlegt angeliefert, es fehlten die alten Kolben, Pleuellager und Pleuelstangen. Nach Rücksprache mit dem Kunden lieferte dieser 12 Pleuelstangen nach. Bei der Montage des Motors fragte der Monteur nach dem Kolbenüberstands- bzw. Rückstandsmaß. Ich konnte weder vom OE noch im Aftermarkt ein Maß bekommen. Wir entschlossen uns, die Montage trotzdem weiter durchzuführen. Beim Probelauf stellten wir dann fest, dass der Motor beim Kaltstart und in der Warmlaufphase stark gräulich qualmte. Wir mussten ihn also noch einmal zerlegen und beide Planflächen des Blockes planen damit der Kolbenrückstand verringert wurde. Diese Aktion hat viel Zeit und Nerven gekostet.
Natürlich macht uns auch das Reparieren von Oldtimern besonders viel Spaß. Das witzige dabei ist, dass die Fahrzeuge, die heute Oldtimer sind, zu der Zeit, als ich in der Lehre war, Neuwagen waren. Daher kenne ich mich mit diesen Fahrzeugen bestens aus. Oft geht es bei diesen Autos aber nicht nur um reines Reparieren, sondern auch um die ästhetische Aufbereitung des ganzen Motorblocks, inkl. Lackierung etc. Das ist dann auch nochmal was anderes.

MAHLE: Warum glauben Sie, trauen sich die Werkstätten nicht mehr an Motoren ran?

Uwe Rosenau: Das ist keine neue Entwicklung. Das begann schon als ich in die Lehre kam. Zu Beginn der 70er Jahre begannen einige Hersteller Austauschmotoren anzubieten. Vielen Werkstätten gingen nun den bequemeren Weg und bauten bei Motorschäden einfach den kompletten Austauschmotor ein. Im Gegensatz zu uns, gehört bei vielen Werkstätten der Kolbenaustausch nicht zum Alltagsgeschäft. Dann hat man natürlich Respekt davor. Denn ein kleiner Fehler kann hier viel kaputt machen, sprich zu einem Motorschaden führen. Daher lassen viele lieber gleich die Finger davon, das ist sicherer. Zudem haben freie Werkstätten meist gar nicht die Geräte, die sie für eine Instandsetzung benötigen (z.B. Bohrwerke, Honmaschinen, Schleifmaschinen usw). Hinzu kommt, dass die Auszubildenden in der Berufsschule sowie beim überbetrieblichen Unterricht inzwischen kaum noch Motoreninstandsetzung gelehrt bekommen. Denn heutzutage gibt es ja viel mehr Mechatronik und Elektronik in den Fahrzeugen. Ich bin noch von der alten Schule, ich habe das gelernt. Doch die „alten Hasen“ gehen allmählich in den Ruhestand und die Jungen, die nachkommen, können es nicht mehr. Deshalb lernen wir die Mitarbeiter, die nicht bei uns ausgebildet wurden, was das angeht, quasi neu ein. Dennoch sage ich: Traut euch ran an Motoren und schaut, wo der Schaden liegt. Einfache Dinge könnt ihr eventuell selbst machen. Wenn es etwas ist, das ihr selbst nicht hin bekommt, dann geht zum Motoreninstandsetzer „eures Vertrauens“.

MAHLE: Bis zu welchem Grad ist es noch rentabel die Motorkomponenten auszutauschen bzw. ab wann wird der ganze Motor ausgetauscht?

Uwe Rosenau: Ganz entscheidend ist hierbei die Laufleistung des Motors. Bei einer hohen Laufleistung sollte man nicht einzelne Komponenten tauschen, sondern den Motor komplett instandsetzen bzw. einen Austauschmotor einbauen.

MAHLE: Sehen Sie einen Trend dahin, dass weniger der komplette Motor, sondern vielmehr nur die Kolben ausgetauscht werden?

Uwe Rosenau: Es gibt im Moment einige Motortypen, die schon nach kurzer Laufzeit zu hohem Ölverbrauch neigen. Hier ist es wirtschaftlich sinnvoll nur die Kolben durch neue Kolben mit geänderter Ringbestückung zu ersetzen bzw. selbst an den alten Kolben die Ringbestückung zu ändern.

MAHLE: Welche Unterschiede gibt es beim Kolbentausch bei den unterschiedlichen Fahrzeugen?

Uwe Rosenau: Eigentlich ist der Kolbentausch vom Arbeitsablauf immer gleich. Aber bei einigen Motoren muss man aufpassen, es können unterschiedliche Kolben in den Zylindern 1 und 2 bzw. 3 und 4 verbaut sein (Anordnung Ventiltasche im Kolbenboden). Und es gibt einige ältere Motoren, zum Bespiel DB OM 636, bei denen die Kolben von unten montiert werden (da muss dann auch die Kurbelwelle ausgebaut werden).

MAHLE: Was sollte beim Kolben-Tausch immer auch mit ausgetauscht werden?

Uwe Rosenau: Auf jeden Fall den kompletten Kolben, samt Kolbenringen, Kolbenbolzen und Sicherungsclips, sowie die Pleuellager, Pleuelschrauben -wenn es Dehnschrauben sind-, alle bei der Reparatur freigelegten Dichtungen und die Zylinderkopfschrauben. Dehnschrauben erkennt man am einfachsten an den Anzugswerten des Herstellers: Drehmoment plus Drehwinkel. Die Pleuelstangen sollten bei Verdacht auf Verbiegung durch einen Motoreninstandsetzer geprüft werden. Auch bei luftgekühlten Motoren empfehle ich die Pleuellager zu prüfen und zu erneuern, obwohl sie nicht zwingend zu lösen sind.

MAHLE: Welche Tipps haben Sie für den Kolbentausch?

Uwe Rosenau:

  • Zuallererst gilt: Die Instandsetzung beginnt schon beim Zerlegen! Das heißt, schon beim Zerlegen sollte man alles genau notieren (Lage, Maße,..). Zudem sollten die beiden Kolben (alt & neu) noch vor dem Einbau ganz genau verglichen werden (Baugleichheit, Größe,..).
  • Generell gilt natürlich immer sauber und genau zu arbeiten, z.B. beim Vermessen. Denn bei der Kolbenmontage muss es bis auf den hundertstel Millimeter genau passen. Elementar ist auch das Messen des Kolbenüberstandes. Entsprechend dessen muss ggf. eine mehr oder weniger dickere Zylinderkopfdichtung verbaut werden.
  • Die Einbaurichtung, meist durch einen Pfeil auf dem Kolbenboden gezeichnet, muss zwingend eingehalten werden.
  • Bei der Montage dann immer genug Öl (=Schmiermittel) verwenden, um ein Trockenlaufen beim ersten Starten zu vermeiden.
  • Ein weiterer Tipp für den Einbau ist es, zwingend ein Spannband für die Kolbenringe zu verwenden. Die Stöße der Kolbenringe sollten versetzt angeordnet werden (120° Winkel).
  • HIER geht's zu unserer Videoreihe mit Uwe

MAHLE: Muss beim Kolben-Tausch immer auch gebohrt und gehont werden?

Uwe Rosenau: Sofern die Maßhaltigkeit (Verschleißmaß) eines Zylinders noch in Ordnung ist, könnte der Zylinder (Block oder Buchse) im Prinzip so belassen werden. Ein Nachhonen ist dann zumindest empfehlenswert. Sobald das Verschleißmaß jedoch erreicht ist oder ein Schadensbild (Beschädigung der Oberfläche) sichtbar wird, ist ein „Aufbohren“ mit anschließender Honung (Kreuzschliff) unausweichlich. Hierzu gibt es dann für sehr viele Motoren entsprechende Übermaßkolben. Sollte ein Übermaßkolben evtl. einmal nicht erhältlich sein (z.B. bei Oldtimern), kann man die meisten Motorblöcke auch nachträglich mit einer Laufbuchse versehen, um dann die Standard Kolbenvariante einzubauen.

MAHLE: Welche Hilfestellung für die Kolbenmontage bietet (Ihnen) MAHLE?

Uwe Rosenau: Die ersten Seiten im Kolben-Katalog sind sehr hilfreich. Hier stehen viele Informationen und Erklärungen. Z.B. Kolbenbezeichnungen und Einbauhinweise. Sehr gut ist auch die Broschüre "Motorenteile und Filter". Sie enthält Schadensbilder, sowie Hinweise zur Ursache und Vermeidung.

MAHLE: Auf welche MAHLE Produkte setzen Sie?

Uwe Rosenau: Was Motorenteile angeht, verbauen wir die MAHLE Kolben inkl. Kolbenringe und –bolzen, wie auch Ventile, Gleitlager und Buchsen. In unserem „Ultraschallbad“ zeigt sich die hohe Qualität der MAHLE Kolben: Denn im Gegensatz zu Kolben manch anderer Hersteller bleibt bei MAHLE Kolben auch nach 20 Minuten Reinigung die Kolbenlaufflächenbeschichtung komplett erhalten.

MAHLE: Noch eine abschließende Frage: Wie sehen Sie die Zukunft der Motoreninstandsetzer?

Uwe Rosenau: Die Aufträge für Pkw werden zurückgehen. Das liegt zum einen an den neueren Downsizing-Motoren, zum anderen daran, dass es vermehrt Hybrid- und E-Fahrzeuge geben wird. Lkw haben wir sowieso schon relativ wenig, da die Komponenten eine gute Lebensdauer haben. Die Zukunft liegt auf jeden Fall in Industrie – und Landmaschinen, Fahrzeugen mit Sonderaufbauten, Blockheizkraftwerke
und Biogasanlagen. Das gleiche gilt für Oldtimer. Inzwischen sind ca. 50% der Fahrzeuge,
die wir bekommen, Oldtimer. Dieser Markt boomt.

Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch, Uwe Rosenau.

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